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Teil 5 - Rentenalter
Teil 5.1 - Bis zur
Beerdigung meiner
lieben Ehefrau
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Eintrag
22.02.2021
Wir haben ein neues Jahr und wir haben immer noch Corona. Das Virus
hat zum Jahresende und zum Beginn dieses Jahres einmal mehr gezeigt,
dass ihm so leicht nicht beizukommen ist. So hat das neue Jahr
angefangen wie das alte Jahr aufgehört hat. Für mich brachte das
neue Jahr aber etwas Neues. Der Januar war mein letzter
Monat, in dem ich arbeiten gegangen bin. Als besonders langjährig
Versicherte bin ich seit Anfang Februar Rentnerin nach der
63er-Regelung. Mein aktives Arbeitsleben ist nun beendet. Ein
Wehrmutstropfen war da aber doch mit dabei. Wenn auch wegen Corona
derzeit vieles anders ist, keiner meiner Vorgesetzten hat es für nötig gehalten,
nicht mal ansatzweise, mich vom Arbeitsleben nach über 45
Dienstjahren bei der Eisenbahn (erst DR dann DB AG) ins
Rentnerdasein zu verabschieden, eine sehr
schwache Kür. Trotzdem habe ich mein Berufsleben, auch mit Höhen und
Tiefen, nie bereut! Es war ein schönes Arbeitsleben, obwohl ich nie
Eisenbahnerin werden wollte, sondern Geologin.
Noch
fühlt es sich an wie längerer Urlaub. Aber bei allem, was ich mache,
sagt mir das Bewusstsein dann immer wieder, lass dir Zeit, du musst
nicht morgen oder Übermorgen wieder arbeiten gehen und dann ist
dafür keine Zeit. Man kann sich ohne Zeitdruck alles besser
einteilen. Aber so richtig Freude kommt dabei dann doch nicht auf.
Vieles, worauf ich mich gefreut hatte, teilweise schon längere Zeit,
umherreisen und noch viel ansehen und kennen lernen, all das ist
nicht möglich. Es steht in den Sternen, ob alles je wieder möglich
sein wird.
Eintrag
15.11.2021
Es ist ruhig geworden. Nicht nur weil ich jetzt zu den
Rentnern gehöre, nein auch das allgemeine, normale Leben. Ich habe
immer gern Leute um mich gehabt, mochte das quirlige Leben. Heute
ist davon nicht mehr viel übrig. Dass das auf der Arbeit irgend wann
mal zu Ende geht, ist der Lauf der Zeit und war zu erwarten, aber sonst ist
durch Corona noch immer alles weit weg von der früheren Normalität.
Ich habe zwar, was ich mir schon lange vorgenommen hatte, endlich
meine ganzen Fotos und über die Jahre gesammelten Zeitungsartikel
einsortiert und katalogisiert, aber sonst ist nicht viel mehr
passiert. Außer im
II. Quartal, da gab es mehr als nur Stress. Durch die Krebsdiagnose
bei meiner Ehepartnerin und dem Umstand, dass sie die sofort
begonnene Chemotherapie anfangs überhaupt nicht vertragen hatte und
noch andere gesundheitliche Probleme mit dazu kamen, wurde alles
durcheinander gewirbelt. Es sah da ganz düster aus, so dass ich
schon fast mit dem Schlimmsten gerechnet hatte. Das hat sich glücklicherweise alles nach einiger Zeit gebessert und wir
haben nun alles
wieder im Griff. Und trotzdem, der ganze Corona-Eiertanz um 1G, 2G,
3G mit oder ohne Plus, geimpft oder ungeimpft usw. geht einem so was
von auf die Nerven, dass man sämtliche Freude am Leben verliert. Das
Gesellige, das ich so geliebt habe, fehlt mir.
Lobbyisten, die anders scheinbar nicht viel zu melden haben, spielen
sich in den Vordergrund und wissen angeblich ganz genau was wie zu
laufen hat. Natürlich muss die Pandemie bekämpft werden und das
schnell und effektiv, man muss sich zusammensetzen und eine
Strategie entwerfen, die Hand und Fuß hat und nicht ständig hü und
hott, hin und her. Und die öffentlichen Medien greifen natürlich
allen Müll auf und labern ihn breit. Es fehlen klare Ansagen. Obwohl
nun viel mehr wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, ist das,
was hier in der letzten Zeit von der Politik geboten wird, nur ein
Trauerspiel, immer wieder das Gleiche, anstatt die Bevölkerung in
der Bekämpfung mitzunehmen. Kommentieren kann man das nur mit
blablabla.
Eintrag
27.03.2022
Nun bin ich schon über 1 Jahr Rentnerin, aber so richtig habe ich
mich damit noch immer nicht anfreunden können. Es ist zwar schön,
nicht mehr früh aufstehen zu müssen und dann über die nervige A2 zur
Arbeit zu fahren. Und auch sonst habe schon sehr viel
geschafft, was ich mir für diese Zeit vorgenommen hatte, trotzdem
konnte mich das lange nicht so richtig zufrieden stellen. Freiheiten, die
ich genießen wollte, reisen, weitere Länder kennenlernen ohne zu
rechnen, wie viel Tage Urlaub man noch hat. Doch das wird einem
alles verleidet. Die Welt draußen spielt verrückt und unsere
Gesellschaft hier verblödet immer mehr. Ständig wird man gegängelt,
was man soll oder nicht soll, ständig werden neue
Schreckensszenarios verbreitet. Jeder weiß angeblich genau, was wie zu tun ist.
Es macht einfach keinen Spaß mehr. Und dazu kommt noch die schwere
Erkrankung meiner Frau.
Eintrag
01.08.2022
Es wird Zeit, hier mal wieder einen Eintrag vorzunehmen.
Die Welt ist in der Zwischenzeit leider nicht besser geworden. Es
belastet einen immer mehr und man macht sich ernstlich Gedanken, wie
soll das alles noch weiter gehen. Überall beharkt man sich gegenseitig, statt
konstruktiv anzupacken und endlich
vernünftige Politik zu machen, die auch dem eigenen Land nützt und
nicht aus dem Bauch heraus irgend welchen Emotionen folgt. Die
derzeit amtierenden Politiker sind mit vollmundigen Versprechen angetreten,
was sie alles besser und vernünftiger machen wollen. Dabei haben sie
in ihrer bisherigen Regierungszeit durch eigene
selbstherrliche Politik dem Land mehr geschadet als gedient.
Aus der Bevölkerung immer mehr herauspressen, ohne überhaupt den
blassesten Schimmer zu haben, was das Leben bereits jetzt mit
manchen nicht zu Ende gedachten Phantasien den Menschen auferlegt.
Viele wissen schon heute nicht mehr, was sie zum Monatsende zu Essen
auf den Tisch bringen sollen. Statt dessen werden überall in
der Welt Geldgeschenke verteilt, lässt man sich von Botschaftern
beschimpfen (der wurde ja dann endlich abgelöst), und hier im Land
geht nach und nach das Licht aus.
Sicherlich ist die Situation nicht einfach bei der derzeitigen
allgemeinen Lage, aber es müsste doch wenigstens das eigene Land zumindest den
größten Stellenwert haben. Wir schreien nach Sanktionen gegen
Russland und schädigen uns selbst zur Freude von Putin mehr als
Russland. Und ein nicht unerheblicher Teil unserer Bevölkerung glaubt
auch noch, getragen von den staatlichen Propagandamedien, dass das der
einzig richtige Weg sei. Wer Gegenargumente bringt, wird nieder
geschrienen und nachher wird rumgeheult, man wollte das ja alles
nicht so. Das alles hat längst nichts mehr mit wohlüberlegter Logik
zu tun. Wie weit geht die allgemeine Verblödung noch?
Auch wollen wir das Weltklima retten, aber wir allein werden das
ohne vielfache Hilfe in der Welt nicht
schaffen. Sicherlich, ein Anfang muss gemacht werden und die Zeit
drängt mehr denn je. Da ist ein kühler Kopf gefragt und effektive
Lösungen schnellstens von Nöten. Aber wir beginnen Hals über Kopf
grünen Ideologien folgend den Bau des neuen
Klimagebäudes mit dem Dach, ohne solide Grundlagen, das Fundament
dafür, geschaffen zu haben. Das Land, seine Bewohner und
weitere Völker
müssen dabei auch mitgenommen, müssen dafür begeistert werden. Gute
Klimapolitik funktioniert nur mit der Bevölkerung und Industrie und
nicht dagegen. So
werden sie motiviert, noch mehr für Klima und Umwelt zu tun. Da
hilft es nicht, wenn man sich beispielsweise auf die Straße setzt
und festklebt oder irgendwo ankettet. Das bringt nur Frust, Trotz,
Ablehnung und nichts fürs Klima, im Gegenteil, es ist kontraproduktiv.
Mir ist bisher zum Beispiel noch nichts von diesen
ach so klima- und umweltrettenden Aktivisten bekannt geworden, dass
sie sich an nachhaltigen Klimaprojekten beteiligen, vielleicht gar
Bäume pflanzen oder so. Im Gegenteil, diese selbstgerechten
narzisstischen
Klimaaktivisten scheinen eher nur auf Krawall gebürstet zu sein. Nur
Forderungen zu stellen ist viel einfacher und leichter als mit
anzupacken. Eine Generation, die jeden erdenklichen Luxus - von der
Waschmaschine über den Wäschetrockner bis zur Spülmaschine und von
der elektrischen Zahnbürste über den Akkurasierer bis zum
Kaffeevollautomaten - für naturgegeben hält, weiß nichts von den
Leistungen der Mütter und Väter beim Erschaffen dieses Wohlstandes.
Es ist diese Generation, die nun ganze Städte zu Fußgängerzonen
umbauen will, damit die alternde Bevölkerung ihre Einkäufe möglichst
nicht nach Hause transportieren kann....
Anders lässt sich das
wohl nicht erklären. Bloß nicht arbeiten oder vielleicht gar noch
schmutzig machen.
Eine Partei, heute mit in der Regierung, hat das schon immer
vorgelebt. Wie erklärt sich sonst, dass im südöstlichsten und grün
regierten Bundesland die wenigsten Windenergieanlagen (die
Stadtstaaten mal ausgenommen) stehen? Der benötigte Strom fürs "klimafreundliche" Handy mit dem
angebissenen Apfel kommt ja auch aus der Steckdose, die Wärme in der
Heizung aus der Wand und die Milch aus dem
Supermarkt. Ach nee, die ist ja nicht vegan!
Eintrag
23.10.2022
Unser erster Urlaub nach Corona ist gerade zu Ende gegangen.
Wir waren diesmal im Mittelmeer auf Malta. Die wechselvolle
Geschichte Maltas machte diese Reise wieder sehr interessant. Ich
fand die Landschaft im Inselinneren zwar nicht sonderlich spannend,
aber Malta hat ja noch viel mehr zu bieten.
Zum Reiseende kam meine Frau durch ihre Erkrankung leider an ihre
Leistungsgrenze, trotzdem war die Reise eine schöne Bereicherung mit
vielen bleibenden Erinnerungen.
Zurück in Deutschland waren wir dann wieder im allgemeinen Irrsinn
unserer verblödenden Gesellschaft angekommen, was die positiven
Erlebnisse der Reise schnell verblassen ließ.
Eintrag
08.02.2023
Ein neues Jahr, ein neues Glück!? Wir werden sehen. Meine Frau hatte
sich einer OP unterziehen müssen. Wir müssen nun abwarten, ob sich
ihre Gesundheit wieder festigt. Mitten in die OP-Nachsorge haben wir
den Zuschlag für eine neue Wohnung bekommen. Nahezu 2 Jahre hat es
gedauert, bis es geklappt hat und wir nun umziehen können. Es ist
fast die Wunschwohnung geworden, kleine Abstriche mussten wir
aber doch machen. Den Umzug werde ich allerdings fast selbst stemmen müssen,
da meine Frau mir mit nur leichten Sachen helfen kann.
Eintrag
05.03.2023
Es ist vollbracht: Ich habe die gesamte Homepage überarbeitet
und die Angaben über Transsexualität und Transition, die ja hier den
Stand von vor 10 bis 15 Jahren vermittelten, heraus genommen. Schon
öfter wurde ich angeschrieben, dass viele Angaben nicht mehr aktuell
sind. Dem bin ich nun nachgekommen und da ich heute keinen aktuellen
umfassenden Einblick mehr in die ganze Materie habe, ist dies alles
entfernt worden. Mein Leben geht aber weiter und das soll auch
weiterhin Bestandteil dieser Seite sein.
Eintrag
06.08.2023
Die Zeit rennt mir schon wieder nur so durch die Finger. Wir
haben jetzt Juli. Der Urlaub Anfang Mai in Albanien ist eine
gefühlte Ewigkeit her und Ende Mai unser Umzug in eine neue größere
Wohnung ist auch vollzogen. Es ist zwar noch nicht alles an seinem
Platz, auch weil durch lange Lieferzeiten der neuen Möbel noch nicht
alles beisammen ist, aber es wird. Die Mieter im neuen Haus sind
alle sehr nett und freundlich. Abneigung mir gegenüber konnte ich
bisher nicht registrieren. In wie weit sie etwas über meine
Situation ahnen oder gar wissen, ist mir nicht bekannt. Irgendwelche
Andeutungen in Richtung Transidentität gab es noch nicht.
Bei meiner Frau stabilisiert sich das allgemeine Befinden auch
langsam wieder. Der Abwärtstrend hat sich umgekehrt und es geht in
kleinen Schritten aufwärts, wohl wissend, dass sie nie wieder
vollends gesund wird. Wir müssen das Beste daraus machen! Jetzt hat
sie auch die Bewilligung zu einer Kur erhalten.
Eintrag
21.12.2023
Das Jahr neigt sich langsam seinem Ende zu, draußen ist es
kühl, windig, regnerisch - typisch Herbst eben. Wie uns allen immer
wieder eingebläut wird, liegt das wohl an der Klimakriese.
Ich hatte mich bei meinem letzten Eintrag hier zu früh über die
gesundheitliche Besserung meiner Frau gefreut. Ab der zweiten
Augusthälfte ging ihr Allgemeinzustand rapide abwärts, so dass sie nun
wieder im Krankenhaus ist. Endlich ist man der Ursache auf den
Grund gegangen und hat nicht mehr nur an den Symptomen rumgedoktert. Was ich aber
im Zusammenhang mit der Einlieferung ins Krankenhaus bei der
Organisation des Krankentransports erlebt habe,
ist eines sogenannten "Sozialstaates" mehr als unwürdig. Am
unwürdigsten hat sich das DRK aufgeführt.
Die Ursache war bald gefunden und man hat versucht zu retten, was zu
retten ist. Meine Frau hatte gleich der OP zugestimmt mit den
Worten: "Es kann nur besser werden." Es hat allerdings doch wohl nicht so
funktioniert wie geplant, aber nicht operieren war ja auch keine
Alternative mehr. Nun heißt es abwarten, wie sich alles weiter
entwickelt. Die Aussichten sind bis jetzt düster.
(Aufnahme rechts vom 06.05.2023 in Saranda/Albanien)
Die ganzen Jahre erfüllten mich mit Glück und Freude. Wir haben fast
alles erreicht und wollten unseren gemeinsamen Lebensabend genießen
und nun das – ich habe eigentlich gar keine Tränen mehr....
Eintrag
24.12.2023
Heute ist Heiligabend. Meine Frau liegt immer noch auf der
Intensivstation und ist noch nicht wieder erwacht. Ich habe
wenigstens nun so halbwegs wieder Boden unter den Füßen bekommen
aber meine Psyche fährt weiter Achterbahn. So wie ich damals lernen
musste, mit der psychischen Krankheit meiner
Frau umzugehen, zu akzeptieren und zu verstehen, muss ich heute
akzeptieren und verstehen, was jetzt ist – von heute auf
morgen. Es ist so unendlich schwer, einen geliebten Menschen so zu
sehen und nicht helfen können.
Eintrag
28.12.2023
Weihnachten ist vorbei und der Jahreswechsel steht vor der Tür.
Draußen wird auch schon vereinzelt geknallt. Das neue Jahr wird für
mich sehr, sehr schwer anfangen, schwerer als das alte endet. Zum
Ende der ersten Woche werde ich pro Forma gefragt, in wie weit die
Patientenverfügung meiner Frau umgesetzt werden soll. Nach 37,5
Jahren Ehe soll ich über ihr Leben entscheiden; werden, wie sie es
in der Patientenverfügung wünscht, die unterstützenden Geräte
abgeschaltet. Sie wollte keine
lebenserhaltenden Maßnahmen und diesem Wunsch fühle ich mich
verpflichtet, so schwer mir das auch fällt. Nur ein Wunder kann noch
helfen, doch an Wunder glaube ich schon lange nicht mehr. Nun muss
mein Pluto als Seelentröster wieder ran, wie damals bei meiner
Transition. Ein Glück, dass ich ihn habe, Kuscheltiere haben eben
doch was gutes.
Eintrag
06.01.2024
Wir haben nun ein neues Jahr. Die letzten knapp 3 Wochen waren für
mich eher der Horror. Da hat nicht mal mein Pluto mich trösten
können. Nach dem Jahreswechsel machte sich bei mir eine relative
Abgestumpftheit breit, als wenn ich die Problematik nicht mehr an
mich ran lassen wollte. Doch nun scheint laut MRT langsam Licht am
Ende des Tunnels. Ein behandelnder Arzt teilte mir mit, dass die
erwarteten bleibenden Schäden nicht so gravierend sein werden und
sich ihr derzeitiger Zustand hoffentlich bald bessern wird. Ein
Umstand, der mich nun wieder zuversichtlicher in die Zukunft blicken
lässt. Allerdings, bleibende Schäden und welche und wie äußern die
sich, das ist genauer noch nicht zu sagen. Da heißt es weiter warten
bis sie endlich das Bewusstsein wieder erlangt und hoffen.
Eintrag
09.01.2024
Zu früh gefreut! Von wegen Licht am Ende des Tunnels. Es hat sich
nichts Entscheidendes geändert. Die Ärzte erzählen aber auch jeder
was anderes. Ein Bekannter von Früher, heute Arzt der
Intensivmedizin, hatte mir jetzt in einem offenen Gespräch gesagt,
wie es aus Sicht der Intensivmediziner aussieht und das war wie
bereits schon bald nach der entscheidenden Operation. Sie wissen
einfach nicht, warum sie das Bewusstsein nicht wieder erlangt. Meine
Frau wird wohl nie mehr ein selbstbestimmtes Leben führen können so
die Aussage. Und da kommt wieder die Patientenverfügung ins Spiel,
denn das wollte sie nicht. Ich muss dann die Entscheidung treffen,
wann die medizinischen Maßnahmen beendet werden. Davor habe ich eine
Scheißangst. Der Chefarzt der Neurochirurgie sieht das allerdings
noch nicht so dramatisch. Nach neurologischen Untersuchungen müsste
sie wieder auf die Beine kommen. Aber warum sie nicht wach wird,
kann er auch nicht verstehen.
So sehe ich mich nun hier vor einer Zukunft, die weder wenigstens
ein bisschen abschätzbar ist, noch dass ich irgendwie Anhaltspunkte
habe wie weiter oder ich auf irgendwelche Lebenserfahrungen
zurückgreifen kann. Es ist eine völlig ungewisse Zukunft und ich
taumle da zur Zeit rein, ohne dass ich auch nur etwas beeinflussen
könnte. Ich sitze zwischen zwei Stühlen ohne jeglichen Halt zu
finden.
Eintrag
14.01.2024
Die Situation ist nahezu unverändert. Meine Frau macht zwar öfter
mal die Augen auf, aber der Blick ist leer, ohne jegliche Regung
starr nach oben an die Decke gerichtet. Derzeit wird sie von der
künstlichen Beatmung entwöhnt und nach und nach für einen Wechsel
vielleicht in
die Palliativmedizin vorbereitet. Heute hat meine Frau die 7. OP
innerhalb von genau 4 Wochen, nur weil es bei der 1. OP zu einer
Einblutung im Gehirn kam. Hier hat das lebenswichtige Blut ein Leben
zerstört.
Meine Seele schreit und kann oder will sich partout nicht an die
neue Lage gewöhnen bzw. das alles akzeptieren. Ich krieg das einfach
nicht hin. Immer wieder quälen mich Heulattacken.
Eintrag
19.01.2024
Gestern vor einem Monat war die folgenschwere OP, die alles
verändert hat. Ein Leben, welches uns viel Freude beschert hat, ist
zerstört. Wenn auch die Krankheit meiner Frau uns immer wieder
gefordert hat, wir haben gekämpft und alles gemeistert. Aber nun
kann ich nicht eingreifen und die Geschicke bestmöglich lenken. Es
ist so deprimierend, nicht mehr helfen zu können, machtlos zu sein.
Heute Nachmittag war ich nun zu einer Gesprächsrunde mit Ärzten aus
den verschiedenen beteiligten Fachrichtungen geladen, wo mir ein
Ausblick gegeben wurde, was uns erwartet. Meiner Frau wurde auf
Grund ihres schlechten Allgemeinzustandes nur noch eine
Lebenserwartung von wahrscheinlich 5 bis 24 Monaten prognostiziert,
und das bei voller intensivmedizinischer Versorgung. Genau das,
abhängig von Schläuchen und Geräten, hat sie nie gewollt. So habe
ich schweren Herzens entschieden, so wie sie es in ihrer
Patientenverfügung bestimmt hat, am Montag Abend die
Intensivversorgung einstellen zu lassen. Zuvor will ich mich von ihr
in Ruhe verabschieden. Es wird aber alles getan, dass sie schmerz-
und stressfrei friedlich einschlafen wird. Eine Verlegung in die
Palliativmedizin wird nicht mehr erfolgen, damit sie keine
zusätzlichen Strapazen erleidet. In wie weit ich in den letzten
Minuten bzw. Stunden bei ihr bin, habe ich noch nicht entschieden.
Ich weiß nicht, ob ich das psychisch meistere, es wären die
schwersten Stunden meines Lebens.
Im Moment habe ich das alles noch gar nicht so richtig
verinnerlicht, das kommt erst in den nächsten Tagen....
Eintrag
20.01.2024
So, wie es jetzt läuft, hatte ich mir das eigentlich nicht gewünscht.
Die Intensivversorgung wurde bereits gestern Abend eingestellt. Ich
konnte mich aber doch heute noch von meiner lieben Astrid
verabschieden. Für eine kurze Zeit hatte sie ihre Augen etwas
geöffnet, aber wieder mit dem starren leeren Blick. Auch ihren Mund
hatte sie geschlossen, als ich sie um den Mund gestreichelt hatte,
damit ich sie noch mal innig küssen konnte. Sie hat das bestimmt
registriert, obwohl sie bereits unter Morphium steht. Es war ein
trauriger Abschied, sie so da liegen zu sehen, um Luft kämpfend. Ob
sie damals geahnt hat, als sie die Patientenverfügung mit mir
aufgestellt hat, wie die letzten Lebensstunden aussehen? Ich weiß es
nicht.
Nun sitze ich hier zu Hause und warte auf den Anruf, dass sie es
geschafft hat und von ihrem Leiden erlöst ist.
Eintrag
22.01.2024
Gestern war meine liebe Frau ganz ruhig, atmete recht gleichmäßig
und friedlich, bekommt jetzt auch mehr Morphium. Wenn ich sie um den
Mund gestreichelt hatte, hat sie ihn immer geschlossen und ich
konnte sie immer ganz liebevoll küssen. Einmal hat sie auch die
Augen leicht geöffnet, aber wie immer mit dem leeren Blick.
Obwohl ich mich seit ihrer Erkrankung schon öfter mit dem Szenario
befasst habe, macht mich diese Situation heute seelisch fertig. Sie
trifft mich zwar nicht unvorbereitet, ist aber seelisch nur schwer
zu beherrschen. Zu Hause quälen mich immer wieder Heulattacken und
die Psyche fährt Achterbahn, wenn ich mich nicht durch irgendwelche
Arbeiten ablenke.
Ergänzung:
Heute war ich wie jeden Tag in den letzten 6 Wochen in der
Klinik, 5 Wochen davon auf der Intensivstation. Es war alles ganz
friedlich. Wenn ich wieder über die Lippen meiner Frau streichelte,
hat sie wieder den Mund geschlossen und ich konnte sie ausgiebig
küssen. Jetzt wieder zu Hause, beschleicht mich ein ganz ungutes
Gefühl, dass es das letzte Mal war.
Meine Seele ist bis heute noch nicht bereit, das alles zu
akzeptieren, obwohl es keine andere Chance gibt.
Eintrag
23.01.2024
Geliebt, beweint und unvergessen!
Nachdem ich mich in der Besuchszeit (auf der Intensivstation
gelten strengere Regeln) noch mal in Ruhe und ausgiebig von
meiner geliebten Astrid verabschiedet habe, ist sie ca. 1,5
Stunden später
am Abend friedlich eingeschlafen. Mit knapp 68,5 Jahren
eigentlich noch kein Alter zum Sterben. Ich war dann wieder im
Krankenhaus und habe sie in stiller Trauer auf ihre letzte Reise
geschickt.
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Meine Frau hat fast 3 Jahre tapfer gegen den Krebs angekämpft und schließlich doch verloren. Wie ich die neue
Situation nach 37 Jahren und fast 8 Monaten Ehe nun meistern werde, weiß
ich noch nicht. Erst mal ist alles sehr, sehr traurig für mich.
Eintrag
25.01.2024
Zu Hause ist es ruhig geworden, sehr ruhig, zu ruhig. Keiner erzählt
was, stellt Fragen oder beantwortet sie. Alles ist leer und traurig.
Meine Frau fehlt mir schon zwei Tage nach ihrem Tod so sehr. Ich
habe immer noch kein tragfähiges Konzept oder wenigstens einen
vielversprechenden Ansatz, wie es nun weitergehen soll. Auch mein
Pluto kann mir keinen Trost spenden.
Heute habe ich den Wocheneinkauf erledigt, sonst haben wie das
beide zusammen gemacht. Da wurden dann auch öfter zusätzlich kleine
Sachen gekauft, die jeder gerne so mochte. Das ist nun ausgefallen.
Morgen spreche ich mit dem Bestattungsunternehmen die nötigen
Formalitäten und Eckpunkte (Sarg, Urne, Blumen und Ablauf)
durch, da werden wieder literweise Tränen fließen. Meine Seele hat
zwar nun den Verlust meiner lieben Astrid akzeptiert, musste es
akzeptieren, aber der Umgang damit ist dermaßen schwer, dass ich
aufpassen muss, daran nicht zu zerbrechen. Hier ist ja leider
niemand mehr, der mich auffangen könnte.
Eintrag
25.01.2024
Heute, eine Woche nach ihrem Tod, konnte ich meine liebe Frau zum allerletzten Mal sehen.
Sie lag in ihrem Sarg so hergerichtet, dass man die Spuren der
letzten medizinischen Aktionen so gut wie nicht sehen konnte. Es war
für mich sehr schwer, den Anblick zu ertragen. Ich habe, wo wir dann
in der Stunde des endgültigen Abschieds allein waren, laut geheult,
wie auch schon ein paar Mal zu Hause, wenn es mich überkam. Aber im
Sarg war das nicht mehr so richtig meine geliebte Astrid. Das
Gesicht war eingefallen und spitz, sie ähnelte hier sehr ihrer
Mutter in den letzten Jahren vor deren Tod. Der Körper meiner Frau
war kalt und als ich sie ein allerletztes Mal küssen konnte
gewöhnungsbedürftig, weil absolut ungewohnt. Ich will sie so in
Erinnerung behalten, wie sie mich von meinem Computerbildschirm
anlächelt. Mir ist das
allerliebste, was ich hatte, genommen worden.
Schwere Vorwürfe gegen die Ärzte, die meine Frau onkologisch
betreuten, muss ich aber machen. Zwar haben sie alles
immer untersuchen lassen, aber bei den Kontrolluntersuchungen
wurde der Kopf nie mit einbezogen. Auch nicht, als die Anzeichen
sich mehrten, dass da etwas nicht in Ordnung zu sein scheint.
Leider habe ich mich immer von Beschwichtigungen, es seien
Nebenwirkungen der Chemo, vertrösten lassen. Wäre eher etwas
unternommen worden, hätte sie vielleicht noch eine reale Chance
gehabt.
Anschließend war ich zu einem Gespräch bei einem Psychologen, man
hatte es mir wärmstens empfohlen. Danach bin ich noch zu einer
lieben Freundin gefahren, die mich und meine Frau schon lange kennt.
Wir hatten uns zwar schon einige Zeit nicht mehr gesehen, aber diese
Zeit heute bei ihr und das Gespräch über Erinnerungen haben mir
wieder etwas Zuversicht und Kraft gegeben. Es war Balsam für meine
Seele.
Eintrag
05.02.2024
All das, was ich die letzten Tage und Wochen durchgemacht habe, hat
mir, vor allem meiner Psyche, stark zugesetzt. Oft habe ich keinen
Ausweg mehr gesehen und die Kraft für ein Weiter fast verloren.
Früher habe ich mich immer gefragt, warum nehmen Menschen Drogen.
Heute kann ich das verstehen, dass wenn man keinen Ausweg mehr sieht
und sich dann aufgibt, der Weg dahin nur ein kleiner Schritt ist.
Bei manchen geht es ganz schnell oder bei anderen nach und nach, je
nach dem wie gefestigt die eigene Persönlichkeit ist. Ich habe nicht
diesen Weg genommen, auch dem Alkohol bin ich nicht verfallen. Hilfe
habe ich mir beim Psychologen geholt und vor allem bei lieben
Freunden gesucht. Das bisschen der noch existierenden
Verwandtschaft, die eh' mit mir nicht viel am Hut hat, habe ich
gleich großzügig außen vor gelassen. Die Gespräche mit lieben
Freunden, oder das Chatten mit ihnen, hat mir immer wieder Kraft
gegeben und mich aufgebaut. Aber auch das Berichten über meine
Gedanken und Gefühle hier auf dieser Plattform haben mir sehr
geholfen, genau so wie damals bei meiner Transition, als es nur sehr
schleppend voran ging.
Zu Beginn der Krebserkrankung meiner Frau hat sie auf Anraten des
Arztes damals mit mir auf Grundlage einer Anleitung des
Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz
mit rechtssicheren Textbausteinen aufgesetzt. Mir fiel es damals
schwer, ihren Wunsch so wie sie wollte, zu akzeptieren. Nach dem,
was nun eingetreten ist, muss ich ihr noch immer für ihre
Hartnäckigkeit danken. Diese Patientenverfügung hat eine sehr
schwere Last von mir genommen, als es um die Abschaltung der Geräte
ging. Ich habe ihrem Wunsch entsprochen und zugestimmt im
Bewusstsein, ihrem Wunsch auch wirklich zu entsprechen, obwohl es
mir unendlich schwer gefallen ist. Im Ergebnis dieser Erfahrung kann
ich jedem nur raten, eine Patientenverfügung zu machen. Ich hatte
bisher keine Patientenverfügung, habe das aber in den letzten Tagen
mit für mich wichtigen Eckpunkten nachgeholt. Zumal ich ja keinen
Direktvertrauten mehr habe, war mir das sehr wichtig.
Eintrag
10.02.2024
Die Inhalte der Trauerrede für die Trauerfeier habe ich nun mit der Trauerrednerin
vor ein paar Tagen durchgesprochen. Ich hatte gleich von Anfang an
Vertrauen in sie gefasst, fand sie sympathisch. In dem schönen und
offenen Gespräch über das Leben meiner geliebten Frau, es dauerte
fast 3 Stunden, sind viele schöne Erinnerungen wieder wach geworden.
Zu manchen Passagen liefen zwar zahlreiche Tränen, doch hat es mir
gezeigt, dass ich viele schöne Erinnerungen an sie habe, die mir
keiner nehmen kann.
Jetzt ist wieder Wochenende und sitze nun allein zu Hause in unserer
schönen Wohnung. Es ist still und ohne Leben. Die plötzliche
Einsamkeit und das Fehlen von Leben um mich herum erdrückt mich. Ich
bin gebrochen und es geht mir sehr sehr schlecht. Mein seelischer
Zustand wird mehr und mehr zum Problem, auch Kreislaufprobleme
kommen jetzt dazu. Nun rächt sich, dass ich hier in Brandenburg nur
einen sehr kleinen wirklichen Freundeskreis habe. Die ganzen Jahre
war meine Frau immer da und das ist nicht mehr.
Eintrag
19.02.2024
Heute war nun die Beisetzung meiner lieben Astrid. Ich habe geheult
wie ein Schlosshund. Der schönste Abschnitt in meinem Leben ist
beendet und wird nie wieder kommen. Es bleiben nur wunderschöne
Erinnerungen. In unserer neuen Wohnung erinnert mich alles an meine
liebe Frau, hat sie doch maßgeblich an der Ausgestaltung mit
beigetragen. Wie es nun mit mir weitergehen soll, weiß ich noch
nicht. Mein weiteres Leben muss ich nun neu organisieren und habe
absolut keine Vorstellungen. Ich weiß ja noch nicht einmal, ob ich
darin noch einen Sinn finden werde.
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Ich hatte alles erreicht,
obwohl dieser Weg
über viele Abschnitte nicht leicht war. Trotzdem habe ich es nicht
bereut. Ich konnte mit meinem Leben glücklich sein. Manchmal
glaubte ich immer noch, es ist nur ein Traum. Aber es war Realität!
Ich träumte nicht mein Leben, ich lebte meinen Traum. Meine
Partnerin hatte mich akzeptiert und wir beide kamen gut damit klar.
Nun hat ein schwerer Schicksalsschlag diesem Leben ein Ende beschert
und ich frage mich ernstlich, wie soll mein weiteres Leben aussehen?
Es ist auf einmal alles so leer und ohne Inhalt, nichts, was mich
weiter führt.
Wird immer mal wieder ergänzt.
© H. M. Waßerroth
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